Schwamm drüber
April 2013: Sand im Getriebe

Haben Sie’s schon gehört? Das Departement für Schule und Ausbildung arbeitet zurzeit an neuen verbindlichen Richtlinien für den Unterricht. Demnach muss künftig jedes Fach während mindestens 5% der zur Verfügung stehenden Zeit ein iPad einsetzen. Zudem muss in jedem Fach 10% der Gesamtnote aufgrund von Laborexperimenten und 15% aufgrund von Aufsätzen zustande kommen. Und schliesslich muss in jedem Fach mindestens einmal pro Jahr ein Musikinstrument eingesetzt, einmal pro Semester eine Lektion zum Thema «Glück» abgehalten und einmal pro Lektion eine Internetrecherche durchgeführt werden. Ach, das glauben Sie nicht? Es gibt kein Departement für Schule und Ausbildung? Nun ja, ich geb es zu, der erste Absatz ist frei erfunden. Aber doch nicht so frei, wie Sie vielleicht denken. Ein Kollege erzählte mir, dass an seiner Schule neuerdings in jedem Fach die mündliche Leistung zu 20% in die Endnote einfliessen muss. Und an einer anderen Schule müssen Laptops zwingend in jeder fünften Lektion eingesetzt werden. Finden Sie das in Ordnung? Das hängt wohl davon ab, welches Fach Sie vertreten und wie Sie bisher mit mündlicher Leistungsbewertung und Notebooks im Unterricht umgegangen sind. Vielleicht befürworten Sie solche Regeln, weil es schon immer Ihre Regeln waren!?

In meinem Fach, der Mathematik, und in meinem Unterricht ist es zwar wichtig, dass Klassen sehr aktiv sind, aber soll ich Sarah, die oft die Hand hebt, allein deswegen besser benoten als Marco, der kaum je aufstreckt, dafür aber Lernaufgaben engagierter, interessierter und erfolgreicher löst? Soll allein die Frequenz von Äusserungen in jedem Fach für 20% der Note verantwortlich sein? Im Mathematikunterricht spielen sogenannte Selbsterklärungsaufgaben eine wichtige Rolle, schriftliche Fragestellungen, die dazu anregen, eigene Erklärungen von kürzlich behandelten Stoffen zu erzeugen.

Quoten schränken die Lehrfreiheit ein

Wie wäre es, wenn wir jedes Fach verpflichten würden, dass 20% der Endnote aufgrund von bewerteten Selbsterklärungsaufgaben zustande kommen muss? Was würden Vertreter anderer Fächer dazu sagen? Im naturwissenschaftlichen Unterricht spielen Experimente eine wichtige Rolle. Soll deswegen jedes Fach verpflichtet werden, mindestens dreimal pro Jahr experimentell zu arbeiten? Soll jedes Fach eine Lektürenote machen müssen, bloss weil das in gewissen Fächern üblich ist? Im Informatikunterricht kann es sinnvoll sein, Laptops einzusetzen. Muss aber deswegen jedes Fach 20 Lektionen pro Jahr mit Laptops arbeiten, einerlei, ob das sinnvoll ist oder nicht? Regelungen der erwähnten Art streuen Sand ins Getriebe. Sie dienen primär einer Quote, fördern aber nicht das Lernen. Und sie schränken die Lehrfreiheit ein. Gute Lehrpersonen verfügen über einen prall gefüllten fachlichen Rucksack, und sie absolvieren eine strenge Ausbildung zum Thema Lehren und Lernen. Die Entscheide, welche Methoden sie benutzen, welche Werkzeuge sie einsetzen und wie die Bewertung zustande kommt, kann man also getrost ihnen überlassen. Ihnen allein. Und die Wirkungen schlechter Lehrpersonen verhindert man nicht dadurch, dass man dem gesamten Lehrkörper Quoten aufzwingt.