Schwamm drüber
Januar 2013: Die Beatles machten ihre Hausaufgaben!

Kürzlich lauschte ich am TV einem Interview mit dem bekannten Kinderarzt Remo Largo, in dem er dafür plädierte, Hausaufgaben an Schulen grundsätzlich abzuschaffen. Und in einer Zeitschrift liess er sich mit den Worten zitieren, eine gute Schule komme ohne Hausaufgaben aus. Tatsächlich? Muss man nun allen Schulen die Hausaufgabe erteilen, ebendiese abzuschaffen?

Keineswegs. Die Grundfrage, die wir uns bei jeder schulischen Massnahme stellen müssen, ist, ob sie dem Lernen förderlich ist oder nicht. Bei einer Hausaufgabe handelt es sich zunächst lediglich um eine Aufgabe, die zum Beispiel zu Hause, jedenfalls ausserhalb des schulischen Unterrichts, erledigt werden soll. Und dabei ist ja nichts grundsätzlich Schlechtes zu finden. Es gibt freilich Hausaufgaben, auf die man ohne weiteres verzichten könnte, zum Beispiel solche, zu deren Erledigung man einfach von einer Internetseite abschreiben oder in der Pause vor der Lektion die Arbeit eines Kollegen kopieren kann. Beim Auswendiglernen von Fakten ist die Sachlage schon komplizierter. So gibt es Argumente, die plausibel machen, dass Auswendiglernen durchaus förderlich sein könnte. Ich selber habe allerdings in meinem ganzen Leben noch keine einzige Hausaufgabe gegeben, die auf reines Auswendiglernen hinausläuft und ich kenne auch zahlreiche Lehrpersonen, für die das ebenso zutrifft. Die Behauptung, wonach es bei Hausaufgaben fast immer um Auswendiglernen gehe, ist also mindestens fragwürdig.

Hausaufgaben können aber, wenn sie gut gemacht sind und von den Jugendlichen seriös bearbeitet werden, sehr viel bringen. Um neue Stoffe lernen und verstehen zu können, muss man sich mit ihnen vertieft auseinandersetzen und nach treffenden Erklärungen suchen und sich kritisch mit den eigenen Lernfortschritten befassen. Es gibt keinen einzigen vernünftigen Grund zu fordern, dass dies ausschliesslich in der Schulstube zu geschehen habe. Im Gegenteil. Wenn sich Jugendliche einzig während der Schulstunden mit einem Fachgebiet auseinandersetzen, können sie in diesem Fach niemals gleich gut werden wie Jugendliche, die das überdies noch ausserhalb des Unterrichts tun.

In 10'000 Stunden zur Meisterschaft
Es gibt Forschungsresultate, die den Schluss nahelegen, dass es ein Mensch erst dann zu absoluter Meisterschaft in einem Fach bringen kann, wenn er etwa 10 000 Stunden damit zugebracht hat, ganz einerlei, ob es sich dabei um Geigenspielen, Schlittschuhlaufen oder Mathematik handelt. Von den Beatles beispielsweise wird behauptet, dass sie erst dann zu Überfliegern wurden, nachdem sie in den Übungen für ihre zahlreichen Konzerte in den Hamburger Nachtclubs und während der Konzerte selbst ungefähr 10 000 Stunden Musik gemacht hatten. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn man ihnen verboten hätte, ihre Hausaufgaben zu machen…

Nun ist es natürlich nicht die Aufgabe von Schulen, Jugendliche zu absoluter Meisterschaft in allen unterrichteten Gebieten zu bringen. Und es ist auch einerlei, ob es nun wirklich genau 10 000 Stunden sind oder vielleicht nur 7500 oder gar 13 000. Klar ist aber, dass ich in der Regel desto besser in einer Sache werde, je länger und intensiver ich mich mit ihr befasst habe. So gesehen wäre es wirklich schade, würde man Herrn Largos Vorstellungen umsetzen, denn das würde auch die unzähligen sinnvollen Arbeitsaufträge verhindern, die Lernenden helfen, besser in einer Sache zu werden. Und genau das ist ja der tiefere Sinn von Hausaufgaben – oder sollte es jedenfalls sein: Lernenden zu helfen, besser in einer Sache werden.