Schwamm drüber
September 2012: Bitte, bitte!

Ich bin ein bescheidener Mensch. Ich frage nicht nach Meriten und übermässigem Luxus. Man sagt mir auch nicht nach, ich sei besonders wählerisch oder wenig kooperativ oder ich sei mir für gewisse Arbeiten zu schade. Es gibt sicherlich Menschen, die bei drohender Arbeit dasselbe Verhalten zeigen wie Murmeltiere bei einer sich nähernden Wandergruppe, und es gibt wohl auch Menschen, die den mickrigen Hügel an Arbeit, den sie täglich abarbeiten sollen, zu einem schroffen, unüberwindlichen Gebirge hochstilisieren. Ich aber bin kein Freund solchen Gebarens.
Ich habe nichts gegen verordnete Treffen, bei denen wir in Gruppen über Schulentwicklung und UnterrichtsQualität reden müssen und bei denen man meist über Nichtanwesende herzieht und am Ende genau diejenige Qualität sichert, über die man vorher schon verfügte. Ich versuche nicht krampfhaft, Jubiläumsfeiern zu vermeiden. Ich leiste keinen Widerstand bei OnlineUmfragen über die allgemeine Befindlichkeit, von denen man, egal, wie man sie ausfüllt, garantiert nie mehr irgendetwas hören wird.
Ich schiebe nicht zum vierten Mal den 75. Geburtstag meiner Mutter vor, um nicht an einer Schulkonferenz teilnehmen zu müssen. Ich meckere nicht, wenn ich in meinen Ferien eine Schulreise vorbereiten soll. Ich sehe durchaus Sinn darin, in einer Kommission zur Umgestaltung des Lehrplanes mitzuarbeiten, obwohl es Kolleginnen und Kollegen oft vor allem darum geht zu betonen, weshalb eine vorgeschlagene Änderung eben nicht machbar ist.
Ich jammere nicht, wenn eine Flut von EMails meine Feierabendpläne durchkreuzt. Ich drücke mich nicht darum, Eltern einer Schülerin oder eines Schülers in Erinnerung zu rufen, doch bitte die basalen elterlichen Pflichten wahrzunehmen. Ich werde nicht ungehalten anlässlich einer Notenkonferenz, in der minutenlang darüber debattiert wird, ob das Androhen eines schriftlichen Verweises in der Schülerseele wohl irreparable Schäden anrichten wird und ob es deswegen nicht klüger wäre, von dieser unmenschlichen Massnahme abzusehen.

Reden ist Silber, Unterrichten ist Gold
Ich bin durchaus kooperativ, wenn es darum geht, einen Bericht zu schreiben, den dann mit Sicherheit niemand lesen wird. Ich begehre nicht auf, wenn ich ein Argumentarium schreiben muss zur Rechtfertigung eines relativ tiefen Notendurchschnittes. Ich nehme klaglos an Sitzungen teil, in denen wir an den Regeln der Hausordnung feilen, als wären wir Edelsteinschleifer und als wären die Regeln Schmucksteine, in denen wir mit einem Facettenschliff ihr inneres Feuer entfachen sollen, wohlwissend, dass danach kein Mensch dafür sorgen wird, dass die beschlossenen Regeln auch eingehalten werden.
Das alles weckt in mir kein Fluchtverhalten. Ich wünsche mir nur – Bitte! – mehr Schulen, in denen man den Lehrpersonen zutraut, das zu beherrschen, worin sie ausgebildet wurden. Mehr Schulen, in denen man trotz all der Gespräche über Qualitätssteigerung die Zeit findet, die Qualität zu steigern. Mehr Schulen, in denen man die Lehrpersonen von all den vielen Nebenschauplätzen abzieht, um sie in Ruhe das tun zu lassen, was sie gelernt haben: Unterrichten! Bitte. Bitte!