Schwamm drüber
Januar 2012: Zur Hölle mit den Didaktikern?

«Who can’t teach teachers how to teach.» – Solche und ähnliche Bonmots machten früher unter Lehrpersonen oftmals die Runde, wenn die Rede von Didaktikern war. Die sollen erst einmal vor eine Schulklasse treten, hörte man etwa, dann werden ihre schönen Theorien schnell ad absurdum geführt. Teilweise war solche Kritik tatsächlich gerechtfertigt, vor allem, wenn Didaktiker einzelne Unterrichtsmethoden wie den Frontalunterricht prinzipiell verteufelten oder behaupteten, Unterricht werde unter allen Umständen gelingen, wenn man nur die richtigen Methoden peinlich genau umsetze, eine These, die praktisch von jeder realen Lektion widerlegt wird.

Nicht beliebig, aber vielfältig

Glücklicherweise hat in den letzten zwanzig Jahren in der Lehrund Lernforschung ein eigentlicher Wandel stattgefunden. Längst wurde die Fokussierung auf die Methoden fallen gelassen. Franz Weinert wurde und Elsbeth Stern von der ETH Zürich (vgl. auch Seite 20) wird nicht müde zu betonen, dass guter Unterricht zwar nicht auf beliebige, aber eben doch auf vielfältige Weise gestaltet werden kann. Nicht die Methode ist entscheidend, sondern dass Kindern und Jugendlichen anregende und lernwirksame Lerngelegenheiten geboten werden. Im Zuge dieses Wandels hat sich auch der Schwerpunkt der Forschung verschoben, weg von der Frage, was Lehrpersonen unbedingt tun oder tunlichst vermeiden sollen, und hin zu der Frage, wie der Mensch lernt und welche Massnahmen ein erfolgreiches Lernen unterstützen. Dazu hat die moderne Lehrund Lernforschung überaus wertvolle Resultate geliefert, und ich erlebe im Alltag hundertfach, welch guten Dienste das Wissen um diese Resultate leistet und wie wünschenswert es folglich ist, dass sie in Lehrerkreisen grössere Beachtung finden.

Gemeinsame Streiter

Beispielsweise hat die neuere Lehrund Lernforschung klar nachgewiesen, dass das Gehirn nicht wie ein Muskel trainiert werden kann, obwohl Unsinnbegriffe wie «Gehirnjogging» genau dies suggerieren. Erfolgreiches Lernen findet immer nur im Zusammenhang mit konkreten Inhalten statt, und daher macht es keinen Sinn, an Schulen Zeit für Methodentrainings oder inhaltsunabhängige Lernstrategien zu verschwenden. Weiter hat die Forschung gezeigt, dass Unterricht besonders lernwirksam ist, wenn gute (anregende, herausfordernde und dennoch lösbare) Fragen ins Zentrum gerückt werden, wenn die Lehrperson sich beständig bemüht herauszufinden, wie das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler aussieht, wie diese das neue Wissen besonders leicht daran andocken können und welche Misskonzepte ihnen möglicherweise im Weg stehen können – und wenn die Jugendlichen periodisch zu Selbsterklärungen angehalten werden. Bei solchen formulieren sie nach erfolgtem Unterricht die wesentlichen Inhalte und Argumente in eigenen Worten, und dadurch werden Lernende und Lehrende gleichermassen aufmerksam auf mögliche Defizite und können korrigierend eingreifen. Diese und viele andere Resultate der heutigen Lehrund Lernforschung erachte ich als grossen Zugewinn. Von einem generellen DidaktikerBashing würde ich daher abraten. Lehrpersonen und Forscher sind heute gemeinsame Streiter in dem grossen Abenteuer, Jugendlichen zu gutem Unterricht zu verhelfen.