Schwamm drüber
September 2011: Liebeserklärung

Erinnerst Du Dich an unsere erste Begegnung? Es war während meiner eigenen Schulzeit, und damals empfand ich Dich noch als distanziert, abweisend und undurchschaubar, und nicht selten starrtest Du drohend und fordernd auf mich herab; Du schienst mir zu sagen: «Lerne endlich von mir!», aber ich verstand oft überhaupt nicht, was Du mich lehren wolltest.

Heute, Jahrzehnte später, bist Du die ideale Partnerin für mich. Ich bewundere Deine perfekten Masse, 300 x 120 x 3, und Du bist noch immer gleich dünn wie am ersten Tag. Du bist im besten Sinne des Wortes oberflächlich, verbirgst oder hinterfragst nichts, bist nie falsch oder kompliziert. Du verstellst Dich nicht und kannst trotzdem leicht verstellt werden. Du bist mit leichter Hand zu führen, immer offen, immer zugänglich, immer genügsam, immer zuverlässig, Du lässt meinen kühnsten Gedanken Raum, ohne sie je zu kommentieren. Du erträgst geduldig alles, womit man sich an Dich wendet, nur manchmal bist Du kreideweiss, vielleicht vor stillem Ärger über den Unsinn, den man Dir anvertraut, und ganz selten gibst Du ein leises Knirschen von Dir, die einzige Unmutsäusserung, zu der Du Dich jemals hinreissen lässt.

Du stellst keinerlei Ansprüche, brauchst keinerlei Antrieb, Deine Mitarbeit ist nie an Bedingungen geknüpft. Es ist jederzeit klar, wie Du behandelt werden möchtest. Du gibst mir alles weiss auf schwarz, und nur ganz selten treibst Du es bunt, aber egal, welches Make-up Du Dir zulegst, nach jeder Waschung glänzt Du wieder im unschuldigsten und vornehmsten Schwarz. Obwohl Du eigentlich immer nur rumhängst, ist das Leben mit Dir doch spannend und abwechslungsreich.

Du warst nicht die einzige...
Natürlich hat es andere Versuchungen gegeben; Du warst nicht die einzige in meinem Leben, aber keine konnte es je mit Dir aufnehmen. Da waren etwa die Hellraumprojektoren, diese unzuverlässigen, unberechenbaren Wesen, bei denen man im Voraus nie weiss, ob ihnen ein Licht aufgehen wird oder nicht. Immer unter Strom, brummen und gurgeln sie aufs nervöseste, und ihr heisser Atem umspült meine Lenden desto gieriger, je deutlicher ich ihre Avancen zurückweise. Egal, was man ihnen anvertraut, sie verschlingen es, rollen es auf und geben es nie mehr wieder her.
Oder dann die Beamer, diese einäugigen Monster, die sich an die Decke krallen und mich mit gleissendem Licht zu blenden versuchen. Sie wirken auf mich immer distanziert, kühl, kaum erreichbar. Natürlich sind sie vielseitig und leistungsstark, weshalb ich mich doch ab und zu mit ihnen einlasse, aber die aufwändigen Gegenleistungen, die sie einfordern, sind mehr als unverschämt. Wie viel schöner ist das Leben doch mit Dir, liebe Wandtafel, uns verbindet eine langjährige, treue Beziehung. Und habe ich Dich einmal schlecht behandelt, habe ich Dir einmal Fehler zugemutet, so lässt sich alles mit wenigen Handbewegungen bereinigen:

Schwamm drüber!