Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
06.08.2016: Und Loch ist eins, und Leer ist keins.
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Als ich ein Kind war, war Entenhausen meine zweite Heimat: Donald Duck und seine Neffen, Daisy, Onkel Dagobert, der ein erfrischendes Bad in seinem Geldkontor nahm. Nie hatte ich mich darüber gewundert, dass man in Entenhausen offenbar im Zehnersystem rechnet, obwohl die meisten Bewohner an jeder Hand vier Finger haben und somit das Achtersystem naheliegender wäre. Vielleicht hat sich die Finanzwelt von Entenhausen einfach dem internationalen Druck gebeugt?

Das Rechnen in anderen Zahlsystemen kann ganz schön interessant sein. Beginnen wir etwa mit der Zahl 541 in unserem System. Angenommen, vor uns steht ein riesiger Bottich mit 541 Litern Wasser drin und wir sollen den Bottich unter Verwendung einiger Kellen ausschöpfen. Zur Verfügung steht uns je eine 1 l-, eine 10 l-, eine 100 l- und eine 1000 l-Kelle. Die grösste Kelle hilft offenbar nicht, wir könnten sie kein einziges Mal füllen, und darum benutzen wir sie 0mal. Die 100 l-Kelle können wir immerhin 5mal einsetzen und damit insgesamt 500 Liter Wasser ausschöpfen. Die 10 l-Kelle setzen wir 4mal ein und die 1 l-Kelle schliesslich 1mal, und dann ist der Bottich leer. Wir können diesen ganzen Ausschöpfungsprozess viel kürzer so protokollieren: 0541.

Stellen wir uns nun vor, derselbe Bottich steht in Entenhausen, wo trotz allem das Achtersystem benutzt wird. Wir haben dann einen neuen Satz Kellen, nämlich je eine 1 l-, 8 l-, 64 l-, 512 l- und 4096 l-Kelle, einfach die fortlaufenden Potenzen der Zahl 8. Die grösste Kelle ist zu gross für unseren Bottich; wir setzen sie also 0mal ein. Die 512 l-Kelle dagegen können wir 1mal füllen. Die verbleibenden 29 Liter Wasser schöpfen wir aus, indem wir die 64 l-Kelle 0mal, die 8 l-Kelle 3mal und die 1 l-Kelle 5mal benutzen. Kurz gesagt: 01035. Dies ist die Zahl 541 im Achtersystem, so würde (oder müsste) Donald Duck unsere Wassermenge bezeichnen.

Computer rechnen im Zweiersystem, benutzen also „Kellen“ in den Grössen 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256, 512,… In diesem System würde unsere Zahl 541 so heissen: 1000011101. Das hat den Vorteil, dass man sie viel einfacher durch einen Draht jagen kann: 1 steht für „Strom fliesst“, 0 für „Strom fliesst nicht“. Schon vor den Computern wurde dieses System in Telegrafen verwendet, die mit Lochstreifen funktionierten. Jedes Zeichen war eine Kombination aus gestanzten Löchern und ungestanzten Leerstellen, wobei ein Loch für 1 und eine ungestanzte Stelle für 0 stand. Frei nach dem Hexeneinmaleins in Goethes „Faust“ könnte man also sagen: „Und Loch ist eins, und Leer ist keins.“

Der US-amerikanische Wissenschaftsjournalist Martin Gardner hat ein Rätsel erfunden, das ich hier gerne weitererzählen möchte: Eine auf der Venus gelandete Raumsonde funkt das Bild einer Felswand zur Erde. Die Abbildung zeigt, was die Sonde fotografiert hat. Wenn das eine Venus-Addition von zwei Zahlen ist, und wenn das Zahlsystem bestimmt wird durch die Anzahl Finger einer Hand, wie viele Finger haben die Venusianer dann an einer Hand?

Armin P. Barth ist Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Baden und Autor. Die Lösung erscheint am nächsten Dienstag auf der Seite Leben&Wissen.