Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
03.10.2015: Störe meine Kreise nicht!
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Wenn Sie das nächste Mal in eine Badewanne steigen, probieren Sie doch einmal Folgendes: Lassen Sie die gelbe Plastikente zu Wasser und drücken Sie sie ganz unter den Wasserspiegel. Sie werden Kraft aufwenden müssen, um sie dort zu halten, und wenn Sie sie loslassen, schnellt sie nach oben, federt kurz und dümpelt dann ruhig auf dem Wasser. Die Kraft, die Sie gespürt haben, ist die Auftriebskraft. Archimedes soll als erster entdeckt haben, dass die Auftriebskraft gleich der Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeitsmenge ist. Als nämlich diese Flüssigkeitsmenge noch nicht von der Ente verdrängt worden war, war sie in Ruhe gewesen; ihre Gewichtskraft war also durch eine Gegenkraft gerade kompensiert worden. Dann, als die Ente ihren Platz einnahm, wirkte auf sie noch immer dieselbe Auftriebskraft, die vorher die Flüssigkeitsmenge in Balance gehalten hatte. Es wird erzählt, dass Archimedes den Auftrieb beim Baden entdeckte und dass er über diese Entdeckung so erfreut war, dass er splitternackt durch die Strassen von Syrakus rannte und dazu „Heureka“ (Ich hab es gefunden) jubelte, eine Geschichte, zu der es allerdings keine verlässlichen historischen Quellen gibt.

Archimedes (287 – 212 v. Chr.) war wohl der bedeutendste Mathematiker und Physiker des Altertums. Er entdeckte das Hebelgesetz, das heute jedes Kind auf der Schaukel erspüren kann. Er konstruierte den Flaschenzug und die Archimedische Schraube, die bis heute an einigen Orten Afrikas zur Bewässerung von Feldern im Einsatz steht. Er baute sogar Kriegsmaschinen, die die Belagerung von Syrakus durch die Römer im 2. Punischen Krieg hinauszögerte. Schliesslich gelang es den Römern doch, die Stadt einzunehmen, und Archimedes kam dabei gewaltsam ums Leben. „Noli turbare circulos meos“ (Störe meine Kreise nicht) sollen seine letzten Worte gewesen sein.

Auch die Mathematik brachte er weit voran. Er fand Formeln für Volumen und Oberfläche diverser Körper. Seine Entdeckung, dass das Volumen einer Kugel und das Volumen des Zylinders, der die Kugel einschliesst, im Verhältnis 2:3 stehen, muss ihm besonders viel bedeutet haben, denn er verfügte, dass diese beiden Körper auf seinem Grabstein dargestellt werden sollen. Mit der Berechnung des Parabelsegmentes ebnete er sogar der Integralrechnung den Weg, die ab dem 17. Jahrhundert die Mathematik revolutionierte.

Die Kreiszahl pi (das Verhältnis von Umfang zu Durchmesser im Kreis) konnte er recht genau einschachteln, indem er den Kreis durch ein umbeschriebenes und einbeschriebenes Sechseck approximierte und dann laufend die Eckenzahl verdoppelte bis zum 96-Eck. Alle bei dieser genialen Ausschöpfungsmethode anfallenden Wurzeln musste er von Hand (!) durch geeignete Brüche annähern. Schliesslich gelangte er zur Einsicht, dass pi kleiner als 3+1/7, aber grösser als 3+10/71 sein muss.

Möchten Sie selber eine schöne Entdeckung von Archimedes nachvollziehen? Welche Formel für den Flächeninhalt eines Kreises wird denn durch die Abbildung plausibel gemacht?

Armin P. Barth ist Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Baden und Autor. Die Lösung erscheint am nächsten Dienstag auf der Seite Leben&Wissen.