Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
04.07.2015: Die verflixten Briefumschläge
20150704

Angenommen, Sie sind Kandidatin oder Kandidat in einer fiktiven Spielshow namens Letterbox. Der Spielleiter führt Sie zu einem Tisch, auf dem zwei verschiedene Briefumschläge liegen, und er sagt zu Ihnen: „Beide Couverts enthalten Geld, im einen Couvert ist aber die doppelte Summe des anderen.“ Mit diesen Worten lässt er Sie wählen. Sie dürfen sich also für eines der Couverts entscheiden, es öffnen und hineinschauen. Doch nun stellt der Spielleiter Sie vor folgendes Problem: Sie dürfen das Couvert wieder schliessen, ihre Adresse darauf schreiben und es in einen Briefkasten werfen. Das Geld wird Ihnen dann zugesandt, das Spiel ist vorbei, und Sie werden nie erfahren, ob das andere Couvert den halben oder doppelten Betrag enthalten hätte. Oder aber Sie entscheiden sich definitiv für das andere, noch verschlossene Couvert, schreiben es an und werfen es in den Briefkasten, auf die Gefahr hin, dann nur noch die Hälfte zu kriegen. Wie lösen Sie dieses Problem?

Dieses sogenannte Two Envelopes Problem (TEP) reicht zurück bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts und wurde immer wieder kontrovers diskutiert. Es lässt sich aber folgendermassen leicht lösen, wobei wir einer schönen Argumentation von Mitchell und O’Brien aus dem Jahr 2014 folgen: Eines der Couverts enthält den Betrag x, das andere den Betrag 2x. Sie wissen aber nichts Näheres darüber. Nach Öffnen des gewählten Couverts haben Sie keine Ahnung, ob der Betrag, den Sie sehen, x oder 2x ist. Sie wissen nur: Mit der Chance 50% ist in Ihrem Couvert der Betrag x, und wenn Sie nun wechseln würden, würden Sie sich gegenüber der aktuellen Situation, in der Sie x besitzen, verbessern zum Betrag –x + 2x = x. Ebenfalls mit der Chance 50% ist in Ihrem Couvert der Betrag 2x, und wenn Sie nun wechseln würden, würden Sie sich gegenüber der aktuellen Situation, in der Sie 2x besitzen, verschlechtern zu -2x + x = -x. Insgesamt ist der Erwartungswert beim Wechseln also 0. Es ist daher einerlei, wofür Sie sich entscheiden. Dieser Befund lässt sich auch leicht durch Computer-Simulationen bestätigen.

Dieses Spiel sorgte auch darum für heisse Köpfe, weil es oftmals mit einem anderen und sehr ähnlichen Spiel verwechselt wurde: dem Single Envelope Problem (SEP). In diesem Spiel erhalten Sie ein einziges Couvert mit einem fest definierten Geldbetrag x darin. Sie dürfen das Couvert öffnen und hineinschauen. Nun sagt der Spielleiter zu Ihnen: „Hier haben Sie eine faire Münze. Sie dürfen Sie einmal werfen, und dann wird der Betrag entweder halbiert oder verdoppelt je nach Ausgang des Münzwurfs.“ Was tun Sie nun? Nehmen Sie das Couvert mit dem Betrag x und werfen es an Sie selber adressiert in den Briefkasten, oder entscheiden Sie sich für den Münzwurf? Welche Strategie sichert Ihnen im Schnitt den grösseren Gewinn?

Armin P. Barth ist Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Baden und Autor. Die Lösung erscheint am nächsten Dienstag auf der Seite Leben&Wissen.