Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
04.04.2015: Ostereiertütschen – einmal anders
20150404

Als meine Eltern mich in den Brauch des Ostereiertütschens einführten, war ich natürlich noch ein kleiner Junge. Ich muss das ganz falsch verstanden haben, denn ich nahm die Eier und schleuderte sie in die nächstgelegene Zimmerecke. Freilich könnte man auch sagen, dass ich einfach nur nach kreativen Alternativen zum herkömmlichen Tütschen gesucht hatte. Heute werden wir uns auch einer solchen Alternative zuwenden. Dazu stellen wir uns vor, wir stehen vor einem mehrstöckigen Haus und wollen unbedingt die folgende Frage klären: Welches ist die tiefste Etage mit der Eigenschaft, dass ein Osterei, welches man dort zum Fenster hinauswirft, beim Aufprall zerbricht? Wir haben eine gewisse Anzahl Eier und eine gewisse Anzahl erlaubter Würfe, und wir müssen nachher zweifelsfrei bestimmen können, welche Etagen sicher für den Eiwurf sind und welche nicht.

Angenommen, wir haben 1 Ei und 1 Wurf zur Verfügung. Dann kann das Haus bloss einstöckig sein. Wir werfen das Ei aus der ersten und einzigen Etage, es bricht oder nicht, und wir wissen Bescheid. Angenommen, wir haben 1 Ei und 2 erlaubte Würfe. Dann darf das Haus schon zweistöckig sein. Wir werfen das Ei aus dem ersten Stock und, falls es nicht bricht, auch noch aus dem zweiten. Dann wissen wir sicher Bescheid darüber, welche Etagen „Ei-sicher“ sind und welche nicht. Bei 2 Eiern und 2 Würfen kann man sich leicht überlegen, dass das Haus dreistöckig sein darf. Man muss dazu im 2. Stock anfangen: Bricht das Ei, so testet man mit dem 2. Ei die 1. Etage. Bricht es aber nicht, so hat man einen zweiten Wurf für die 3. Etage und braucht das andere Ei gar nicht.

Wie ist es, wenn wir 2 Eier und 8 Würfe frei haben (Abbildung)? Dann darf das Hochhaus bereits 36 Etagen haben! Dazu werfen wir das 1. Ei aus der 8. Etage. Wenn es bricht, haben wir noch genügend Würfe, um von unten nach oben die ersten 7 Etagen zu testen. Wenn es aber hält, dann werfen wir es als nächstes aus der 15. Etage. Wenn es dort bricht, bleiben uns 6 Würfe für den Test der Etagen 9 – 14. Wenn es aber wieder hält, werfen wir es als nächstes aus der 21. Etage. Wenn es bricht, bleiben uns 5 Würfe für den Test der Etagen 16 – 20. Wenn es aber hält, werfen wir es als nächstes aus der 26. Etage. Und so weiter. Fährt man auf diese Weise fort, so kann man am Ende von jeder der 36 Etagen mit Sicherheit sagen, ob sie Ei-sicher ist oder nicht.

Das alles ist nicht nur ein lustiges Spiel. Man kann damit spannende Mathematik betreiben. Zum Beispiel kann man versuchen, eine Formel zu entwickeln, die bei einer gewissen Zahl Eiern und einer gewissen Zahl Würfen die Hochhaushöhe berechnet. Und es zeigt sich, dass diese Formel interessante Querbezüge hat zu kombinatorischen Zählweisen, die in der Praxis überaus häufig sind. Haben Sie Lust, über eine einfachere Frage nachzudenken? Wenn Sie 3 Ostereier und 4 Würfe frei haben, wie hoch darf dann ein Haus sein, damit Sie mit Sicherheit von jeder Etage sagen können, ob sie Ei-sicher ist oder nicht? Und wie müsste man testen? Frohe Ostern!

Armin P. Barth ist Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Baden und Autor. Die Lösung erscheint am nächsten Dienstag auf der Seite Leben&Wissen.