Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
07.03.2015: Testen Sie Ihre Intuition!

Die Algonkin-Indianer waren wohl die ersten Einwohner der Insel, die heute Manhattan genannt wird. Im Jahr 1626 kam es zu dem legendären Verkauf durch die Algonkins an Peter Minuit, der als Stellvertreter des niederländischen Königs geschäftlich in Amerika weilte und mithalf, die Kolonie Nieuw-Amsterdam auszubauen, die später New York heissen sollte. Die Ureinwohner freuten sich sicher über Messer, Glasperlen und andere Waren, die sie für die Insel erhielten. Umgerechnet hatten die Waren einen Wert von etwa 24 Dollar.

Im Jahr 1986, also 360 Jahre später, hatte die Insel einen Wert von geschätzten 25 Billionen Dollar, also 25‘000‘000‘000‘000. Wenn wir annehmen, dass der Wert von Manhattan von 1626 bis 1986 gemäss einem konstanten jährlichen Prozentsatz zunahm, wie gross ist dann dieser Prozentsatz? (A) 10‘000%, (B) 100%, (C) 8% oder (D) 2% ? Was meinen Sie?

Die Fragestellung mag unrealistisch sein, aber darum geht es hier gar nicht. Vielmehr geht es darum, wie gut oder schlecht wir beim Schätzen der Parameter im Zusammenhang mit exponentiellem Wachstum sind. Haben Sie (A) oder (B) getippt? Richtig ist tatsächlich (C). Nur 8% pro Jahr sorgen für dieses schwindelerregende Wachstum, wenn die Zeitdauer lang genug ist.

Wie gut ist unsere Intuition im Zusammenhang mit solchen Fragen? Hier ist eine weitere: Angenommen, Sie leihen sich CHF 1‘000.- von einem wucherhaften Geldinstitut zu einem Zinssatz von 1% pro Tag. Sie zahlen nichts, bis das Jahr um ist. Dann zahlen Sie die CHF 1000.- zurück sowie den ganzen bis dahin angelaufenen Zinseszins. Wie viel zahlen Sie also Ende Jahr? (A) 1‘120.-, (B) 3650.-, (C) 4‘650.-, (D) 37‘780.- ? Korrekt ist tatsächlich (D). Warum ist das so? Weil der geschuldete Betrag jeden Tag mit dem Faktor 1.01 zu multiplizieren ist. Tut man das 365 mal hintereinander, so entsteht die riesige Zahl 37‘780.

In den USA findet man oft Werbung für payday loans. Darunter versteht man kleine, zeitlich sehr kurz befristete Darlehen, die oft angenommen werden, um kurzzeitige Geldnöte vermeintlich zu überwinden. Tatsächlich werden die Geldnöte dadurch in den allermeisten Fällen drastisch erhöht. Obwohl Gesetzgeber versuchen, Wucherzinsen durch obere Zins-Limiten zu verhindern, sind payday loans nicht unüblich, bei denen für ein zweiwöchiges Darlehen von 100$ Kosten von 33$ in Rechnung gestellt werden. Würde man diesen Zins auf ein Jahr hochrechnen, so ergäbe das (A) 33%, (B) 858%, (C) 16‘600% oder (D) 165‘913% ? Was meinen Sie? Bestimmt sind Sie mittlerweile daran gewöhnt, sehr hoch zu schätzen. Und auch diesmal muss man das wirklich tun: Die höchste Zahl ist nämlich auch diesmal korrekt, so unglaublich das klingen mag.

Angenommen, Sie haben eine Kreditkarte, und das Kreditinstitut lässt Sie wissen, dass die Gebühren lediglich 2% pro Monat betragen. Sind das dann 24% im Jahr? Oder mehr? Was meinen Sie?

Armin P. Barth ist Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Baden und Autor. Die Lösung erscheint am nächsten Dienstag auf der Seite Leben&Wissen.