Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
04.10.2014: Geometrie: Wo Schneiden niemandem weh tut
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Wie funktioniert eigentlich das Global Positioning System (GPS)? Einmal eingeschaltet, „weiss“ mein Auto immer, wo ich mich gerade befinde und dies mit einer verblüffenden Genauigkeit. Einmal mehr hat hierbei die Mathematik ihre Finger im Spiel. Das System basiert darauf, dass Satelliten ständig ihre aktuelle Position und die genaue Uhrzeit ausstrahlen. Empfängt mein Auto also solche Signale eines Satelliten, so weiss es, dass es sich irgendwo auf einer Kugeloberfläche um den Satelliten befindet, wobei der Radius der Kugel der Distanz des Satelliten zu meinem Auto entspricht, die sich aus der Laufzeit des Signals errechnen lässt. Nun reicht diese Information offenbar bei weitem nicht aus; die Kugeloberfläche lässt für meinen Aufenthaltsort viel zu viel Spielraum. Darum muss gleichzeitig das Signal eines zweiten Satelliten bei mir ankommen. Da mein Auto nun gleichzeitig auf der Oberfläche einer Kugel um den zweiten Satelliten sein muss, ist der Aufenthaltsort bereits eingeschränkt auf den Schnitt zweier Kugeln. Schneidet man zwei Kugeln, so erhält man normalerweise einen Schnittkreis. Auch dieser lässt noch zu viel Spielraum. Wenn nun aber noch das Signal eines dritten Satelliten ankommt, so weiss mein Auto, dass es sich im Schnitt von drei Kugeln befindet. In den meisten Fällen – und bei realen Aufgaben der Satellitennavigation immer – besteht der Schnitt von drei Kugeln aus genau zwei Punkten, wovon der eine aber entfällt, weil er nicht auf der Erdoberfläche ist. Darum weiss mein Auto nun „punktgenau“, wo ich mich gerade befinde, sobald der Kontakt mit drei Erdtrabanten hergestellt ist. Geometrie sein Dank.

Die Abbildung zeigt ein weiteres interessantes Schnittproblem. Wir betrachten eine Art Dreibein, in dem zwei zueinander geneigte Dreiecke ABC und PQR abgebildet sind. Wenn man nun die Seiten AC und PR verlängert, kommt es zu einem Schnittpunkt X in der Ebene des unteren Dreiecks. Analog findet man Schnittpunkte Y und Z, wenn man die anderen einander entsprechenden Dreiecksseiten verlängert. In der Abbildung sieht es aus, als würden die drei Schnittpunkte X, Y, Z auf einer geraden Linie liegen. Ist das ein Zufall? Nein, durchaus nicht. Jedes Dreieck ist Teil einer Ebene. Man kann man sich leicht überlegen, dass sich zwei nicht-parallele Ebenen stets in einer geraden Linie schneiden müssen. Da die genannten Schnittpunkte X, Y, Z allesamt zum Schnitt der beiden Ebenen gehören, liegen sie somit auf der geraden Linie, in der sich die beiden Ebenen schneiden.

Möchten Sie selber ein geometrisches Schnittproblem lösen, das niemandem weh tut? Bitteschön: Wenn man einen Würfel mit einer Ebene schneidet, was für regelmässige Vielecke können dann als Schnittfiguren entstehen? (Regelmässige Vielecke sind solche mit lauter gleich langen Seiten und gleichen Winkeln in den Ecken.)

Armin P. Barth ist Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Baden und Autor. Die Lösung erscheint am nächsten Dienstag auf der Seite Leben&Wissen.