Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
06.09.2014: Mathemagie – gerade Zahlen streichen, Resultat korrekt
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Gerade in ihren Anfängen, aber auch wieder im Mittelalter, war die Mathematik teilweise eine seltsame Mischung aus seriöser Forschung und Zahlenmagie. Nicht selten entsprang die Wahl oder Vermeidung einer Zahl dem «Wissen» um irgendeine mysteriöse Bedeutung gewisser Zahlen.

So sollen gemäss einer Schilderung des griechischen Schriftstellers Plutarch die alten Ägypter geglaubt haben, dass der Tod des Osiris an einem 17. eintreten müsse, weil dann die Abnahme des Mondes deutlich werde. Folglich war die 17 eine negativ besetzte Zahl. Und auch die Pythagoreer verabscheuten diese Zahl und fanden sogar eine scheinbar rationale Begründung dafür: Die 17 ist störend eingekeilt zwischen 16 und 18, welche beide eine ganz besondere Eigenschaft haben: Sie gehören nämlich als Inhaltszahlen zu solchen Rechtecken, deren Umfang gleich dem Inhalt ist.

Im Mittelalter wurde magischen Quadraten eine unter Umständen heilende Wirkung auf den Menschen nachgesagt. Solche quadratische Anordnungen von Zahlen, in denen die Summen aller Zahlen in den einzelnen Zeilen, Spalten und Diagonalen gleich sind, wurden darum gerne auf Amulette geprägt, die man um den Hals tragen konnte. Man kannte damals magische Quadrate mit 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9 Zeilen und ordnete sie einfach den sieben «Planeten» der Astrologie zu: Saturn, Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Merkur und Mond. Und da man sich vorstellte, dass jeder Planet Einfluss auf einen Teil des menschlichen Körpers hat – der Mars zum Beispiel auf die Galle – musste folgerichtig das magische Quadrat mit 5 Zeilen als Therapie gegen Gallenbeschwerden herhalten. Verdiente Ärzte wie Paracelsus oder Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim sollen durchaus heilende Kräfte in solchen magischen Zahlen gesehen haben. Eine besonders reizvolle Mischung aus seriöser Forschung und Zahlenmagie findet man in der abessinischen Bauernmethode. Sie wurde bereits in einem ägyptischen Papyrus um 1550 v. Chr. beschrieben und fand in Russland Anwendung bis in die Neuzeit.

Angenommen, wir sollen die Zahlen 41 und 17 multiplizieren. Gemäss dieser Methode muss man dann einfach die erste Zahl, also 41, fortlaufend durch 2 teilen ohne Berücksichtigung des Restes; dies ergibt die erste Spalte der abgebildeten Tabelle. Daneben muss man den zweiten Faktor, also 17, fortlaufend verdoppeln; das ergibt die zweite Spalte der Tabelle. Dann streiche man alle Zeilen durch, bei denen die Zahl in der linken Spalte gerade ist, weil, so sollen die abessinischen Bauern argumentiert haben, gerade Zahlen Unglück bringen! Schliesslich addiere man alle Zahlen der zweiten Spalte, die nicht durchgestrichen wurden, und erhält das Resultat. Diese Methode führt tatsächlich immer zum Ziel. Aber kann es sein, dass das darum der Fall ist, weil gerade Zahlen Unglück bringen? Heute können wir eine solche These nicht mehr ernsthaft vertreten. Es muss also einen anderen, ganz und gar mathematischen Grund für die Richtigkeit der Methode geben. Können Sie ihn finden?

Armin P. Barth ist Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Baden und Autor. Die Lösung erscheint am nächsten Dienstag auf der Seite Leben&Wissen.