Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
02.07.2013: Der längste Weg, so kurz wie möglich halten

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IN AADORF, Bedorf und Cedorf befindet sich je ein Postbüro, was für die Bewohnerinnen und Bewohner der drei Dörfer überaus bequem ist. Aber leider arbeitete das Unternehmen in letzter Zeit nicht mehr gewinnbringend, sodass sich die Unternehmensführung zu dem Entschluss durchringen musste, einige Poststellen zu schliessen. Die drei Dörfer sind davon besonders betroffen, denn die drei Poststellen müssen auf eine einzige reduziert werden. Es wurde beschlossen, alle drei Poststellen aufzuheben und dafür irgendwo zwischen den Dörfern eine neue zu errichten, und zwar an einer Stelle, die für alle drei Dörfer gleichermassen günstig liegt. Nur, wo könnte das sein?

Nach langen Diskussionen reifte der Plan heran, für die neue Poststelle den Mittelpunkt P des Umkreises der drei Dörfer zu wählen. Denn, so wurde behauptet, damit sei die längste Strecke, die irgendjemand gehen müsse, um die Poststelle zu erreichen, automatisch minimiert. Glücklicherweise erzählte der Direktor des Postunternehmens beim Abendessen seiner Familie von dem Vorhaben, denn nachdem seine Kinder ein paar Zeichnungen auf die Serviette gekritzelt hatten, schrien sie plötzlich Zeter und Mordio. Das sei ein kolossaler Irrtum, rief der Älteste siegessicher, wenn man den kleinsten Kreis finden wolle, der drei Punkte umfasst, sei das nur dann der Umkreis, wenn jeder der drei Winkel weniger als oder höchstens 90° messe. Im Falle der drei Dörfer sei aber bei Cedorf ein Winkel von über 90°, und darum könne man einen kleineren Kreis bilden, der alle drei Dörfer umfasst, nämlich denjenigen Kreis, der die Strecke zwischen Aadorf und Bedorf als Durchmesser hat. Bei diesem Kreis sei die längste Strecke, die jemand gehen müsse, um die Poststelle zu erreichen, tatsächlich am kürzesten. Die Kinder des Direktors hatten völlig recht. Was sie aber wahrscheinlich nicht wussten, ist, dass bereits im Jahr 1857 der britische Mathematiker James Joseph Sylvester das Problem gestellt hatte, den kleinsten Kreis zu finden, der irgendeine Anzahl von Punkten umfasst.

Heute ist das Problem unter dem Namen «smallest circle problem» bekannt; es ist ein Optimierungsproblem und kommt immer dann zur Anwendung, wenn eine Stelle gebaut werden soll – sei das nun ein Postbüro, ein elektrischer Verteiler oder was auch immer – von der aus einige umliegende Kunden bedient werden sollen.

Den Mittelpunkt des kleinsten umfassenden Kreises zu wählen, garantiert, dass die längste Distanz zu einem der Kunden so kurz wie nur irgend möglich ist.

Eine Lösung für das Problem von Sylvester zu finden, wäre wohl zu schweisstreibend. Aber vielleicht möchten Sie sich, geneigte Leserinnen und Leser, dem folgenden einfacheren Problem widmen: Wenn die drei Dörfer ein gleichseitiges Dreieck mit Seitenlänge 1 km bilden und die Poststelle im Mittelpunkt des kleinsten umfassenden Kreises gebaut wird, wie kurz ist dann der längste Fussweg zur Post?

Armin P . Barth ist Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Baden und Autor. Die Lösung erscheint mit seiner nächsten Kolumne am 6. August 2013.

Lösung vom 4. Juni 2013: Man lege I, III, II, III aneinander. Dann ist oben und unten die Zahl 212221122 abzulesen.