Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
05.02.2013: Dame, unerreichbar, sucht ...

20130205

... EROBERER. Das klingt wie die Einleitung zu einem Inserat einer Kontaktbörse. Unsere Dame ist aber nicht aus Fleisch und Blut. Vielmehr handelt es sich um das altbekannte Brettspiel «Dameaa», bei dem Steine über Steine springen und die Übersprungenen, wie verschmähte Liebhaber, die Bühne verlassen müssen. Wir spielen hier einmal eine ganz unkonventionelle Variante dieses Spiels:

Gespielt wird es von einem einzigen Spieler. Dieser ordnet zwölf Damesteine wie abgebildet auf den drei untersten Reihen eines Schachbrettes an. Ein Zug besteht nun darin, mit einem Stein einen anderen Stein zu überhüpfen und den gezogenen Stein auf das freie Feld davor zu platzieren; der .berhüpfte wird sogleich vom Brett geräumt. (Der Pfeil in der Abbildung zeigt einen möglichen ersten Zug.) Ein Stein darf aber immer nur vorwärts, nach links oben oder nach rechts oben, gezogen werden. Und das Ziel besteht darin, mindestens einen Stein in die oberste Reihe zu befördern; damit wäre die Dame dann erobert. Kann dieses Ziel erreicht werden? Wie? Wenn Sie, geneigte Leserinnen und Leser, das ausprobieren möchten, dann unterbrechen Sie die Lektüre hier unbedingt.

Wie schon im Titel angedeutet, ist diese Dame tatsächlich unerreichbar. Es ist nämlich prinzipiell unmöglich, mit den erwähnten Regeln einen Stein in die achte Reihe zu befördern. Und mit etwas raffinerter Mathematik können wir das auch ganz leicht einsehen: Dazu nehmen wir an, die Steine wären Liebhaber, die alle der Dame den Hof machen möchten, und je höher ein Liebhaber hinauf steigt, desto höher wird sein Wert, desto grösser werden seine Chancen. Zu Beginn hat jeder Liebhaber der ersten und zweiten Reihe den Wert 1 und jeder Liebhaber der dritten Reihe den Wert 2, und die Wertstufen (am linken Rand des Schachbrettes) sind so gebildet worden, dass die Werte von zwei aufeinanderfolgenden Reihen sich zum Wert der nächsten Reihe addieren (1+1=2, 1+2=3, 2+3=5 usw.). Nur ein Liebhaber mit Wert 21 könnte die Dame erobern.

Der Punkt ist nun der: Bei einem Zug gewinnt ein Liebhaber an Wert, und zwar addiert sich zu seinem Wert genau der Wert des übersprungenen Liebhabers, der ja ausscheidet. Die Summe der Werte aller Liebhaber auf dem Brett bleibt bei einem Zug also unverändert. Zu Beginn des Spiels beträgt die Summe der Werte aller Liebhaber 16. Und da sich diese Summe bei jedem Zug nicht ändert, kann auch am Schluss kein Liebhaber einen Wert über 16 erreichen. Damit ist die achte Reihe also unzugänglich, und die Dame kann nicht erobert werden, wie sehr sich die Liebhaber auch ins Zeug legen.

Das hier verwendete Invarianzprinzip ist für die Mathematik überaus wertvoll, kann man doch damit immer wieder auf raffinierte Weise die Unmöglichkeit eines bestimmten Vorhabens nachweisen. Übrigens: Welches wäre denn die im Hinblick auf das Ziel beste Stellung, die sich bei diesem Spiel erreichen lässt?

Armin P. Barth ist Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Baden und Autor. Die Lösung erscheint mit der nächsten Kolumne am 5. März 2013.

Lösung vom 8. Januar 2013: Solche Zahlen heissen in Wirklichkeit «erhaben», und 12 ist die kleinste.