Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
02.10.2012: Der Ungewissheit ein Schnippchen schlagen

VOR WENIGEN JAHREN schrieb der deutsche Mathematiker Franz Thomas Bruss einen überaus interessanten Artikel über die Wahrscheinlichkeit von Münzwurfexperimenten. Nicht selten begegnen wir im Leben Situationen, in denen wir sagen: Lasst uns mal eine Münze werfen, um zu entscheiden, welche von zwei Alternativen wir wählen sollen.

Hier ist ein Beispiel: Ich habe in einem Inserat mein altes Auto angeboten und im Text deutlich gemacht, dass ich mindestens 5000 Franken dafür haben möchte und es dem Meistbietenden verkaufen werde. Zwei Personen, Alice und Bob, haben mich kontaktiert und zugesagt, das Auto zu einem Preis über 5000 Franken zu kaufen. Alice möchte das Auto am Samstag sehen, will dann den Betrag nennen und sofort eine Zusage von mir haben. Bob dagegen kann erst am Montag vorbeikommen, will den Betrag auch erst nach der Besichtigung nennen und sofort eine Zusage von mir haben. Ich stehe also vor folgendem Problem: Soll ich Alice am Samstag schon eine Zusage machen, ohne Bobs Angebot vom Montag zu kennen? Oder soll ich Alice absagen und Bob am Montag zusagen und vielleicht weniger einnehmen, als Alice mir geboten hätte?
Ich könnte versucht sein, das als eine klassische Münzwurf-Situation zu sehen. Ich habe am Samstag noch keine verlässliche Entscheidungsgrundlage, also werfe ich einfach eine Münze und sage Alice auf alle Fälle zu, falls die Münze Kopf zeigt. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% werde ich so das höhere Angebot erwischen, und besser kann ich leider nicht abschneiden. Wirklich nicht? Interessanterweise kann ich meine Chance, das höhere Gebot zu erwischen, auf über 50% steigern. Ich mache dazu selber ein Gebot, das ich mal C nenne. (Zum Beispiel C = 5300 Franken) Die mir unbekannten Gebote von Alice und Bob nenne ich A respektive B. Nun gibt es drei Fälle: 1. Fall: Sowohl A als auch B sind höher als C. 2. Fall: Sowohl A als auch B sind tiefer als C. 3. Fall: C liegt zwischen den beiden Geboten A und B. Ich entschliesse mich zu folgendem Vorgehen: Ich höre mir am Samstag Alices Angebot an, und falls es höher als C ist, akzeptiere ich es. Sonst werde ich am Montag Bobs Angebot akzeptieren. Warum ist diese Strategie besser?

Im ersten Fall werde ich auf diese Weise mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% das höhere der beiden Gebote erwischen. Dasselbe gilt auch für den zweiten Fall. Im dritten Fall dagegen werde ich ganz sicher, also mit einer Wahrscheinlichkeit von 100%, das höhere Gebot erwischen. Und das macht den Unterschied! Nennen wir die unbekannten Wahrscheinlichkeiten der drei Fälle x, y und z, so ist nun die Gesamtwahrscheinlichkeit, dass ich das höhere Gebot erwischen werde, gleich

x×50% + y×50% + z×100%

Können Sie einsehen, dass und warum dieser Wert über 50% liegen muss?

Die Lösung erscheint mit der nächsten Kolumne am 6. November.

Lösung vom 4. September 2012: Das ist unmöglich! Regel 1 stellt immer eine Zweierpotenz von Buchstaben Y her, die nicht durch 3 teilbar ist. Daher kann Regel 2 nicht alle Buchstaben Y zum Verschwinden bringen.