Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
06.12.2011: Eine verschlüsselte Nachricht aus dem Gefängnis

AM 8. FEBRUAR 1587 WURDE Maria Stuart hingerichtet. Noch vom Gefängnis aus hatte die Katholikin gegen ihre Cousine, Königin Elisabeth I. von England, intrigiert. Sie hatte, wie die Richter bei der Urteilsverkündung feststellten, «mit Leidenschaft die Vernichtung der Königin von England betrieben». Die Briefe, die Maria Stuart im Gefängnis erhielt oder abschickte, waren zwar alle verschlüsselt gewesen, aber die Verschlüsselung hatte den damaligen Codeknackern nicht standgehalten. Elisabeths Regierung war über das Komplott in allen Einzelheiten informiert.

Seit über 2000 Jahren denken sich Menschen immer raffiniertere Methoden aus, um Texte zu verschlüsseln. Caesar hatte noch eine simple Substitutions-Chiffre verwendet, in der jeder Buchstabe des Klartextes einfach durch einen anderen Buchstaben des Alphabets ersetzt worden war. Solche Geheimtexte lassen sich jedoch relativ leicht mit einer Häufigkeitsanalyse knacken. Da man weiss, dass im Deutschen der Buchstabe e am häufigsten ist (gefolgt von n, i usw.), braucht man im Geheimtext bloss die Häufigkeiten der einzelnen Buchstaben zu ermitteln, um zu wissen, welcher Buchstabe durch welchen anderen ersetzt worden war.

Um dies zu verhindern, hat man sich ab etwa dem 17. Jahrhundert auch oft einer homophonischen Codierung bedient. Dabei wird jeder Buchstabe gemäss seiner Häufigkeit durch mehrere Stellvertreter ersetzt. Dass eine solche Verschlüsselung nur schwer zu knacken ist, zeigt das Beispiel des etwa 300 Jahre alten «Copiales-Codes» (ein Text einer ehemaligen deutschen Geheimgesellschaft), der homophonisch verschlüsselt war und erst vor wenigen Wochen geknackt worden ist. Eine andere raffinierte Methode geht auf Blaise de Vigenère zurück. Bei diesem Verfahren wird ein Schlüsselwert gewählt, zum Beispiel ROSE. Angenommen, wir möchten nun den Klartext ANGRIFF codieren, so gehen wir wie folgt vor: Zuerst notieren wir das Alphabet viermal (vgl. Abb.), aber jedes Mal so verschoben, dass die ersten Buchstaben gerade das Schlüsselwort bilden. Dann verschlüsseln wir die einzelnen Buchstaben des Klartextes der Reihe nach mit Alphabet 1, 2, 3, 4. Genauer: Da das A in ANGRIFF der erste Buchstabe im Normalalphabet ist, ersetzen wir es durch den ersten Buchstaben in 1, also durch R. Da das N in ANGRIFF der 14. Buchstabe des Normalalphabetes ist, ersetzen wir es durch den 14. Buchstaben aus 2, also durch B. Da das G in ANGRIFF der 7. Buchstabe des Normalalphabetes ist, ersetzen wir es durch den 7. Buchstaben aus 3, also durch Y, usw. Und für den fünften Buchstaben des Klartextes benutzen wir wieder Alphabet 1. ANGRIFF wird dann zu RBYVZTX.

Genau so habe ich eine Mitteilung an Sie codiert: Was mag das wohl heissen? WFGLV KWMYBSGYHWR LBV HZS TIJHWR NIWRJQZI QIE RVIWR AOZV

Die Lösung erscheint mit der nächsten Kolumne am 3. Januar.

Lösung vom 8. November 2011: 1.3 Sekunden. x = 10.73