Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
12.10.2010: Mehl, Butter, Zucker und Mathematik!

Eine etwas frustrierende Erfahrung für Mathematiker ist immer wieder die Tatsache, dass Mathematik in praktisch jedem Lebensbereich des heutigen Menschen eine Rolle spielt, dass aber die wenigsten davon Notiz nehmen. J. Engel schrieb kürzlich im Vorwort seines neuen Buches: „Quasi jedes technische Gerät, das unser Leben erleichtert und unseren angenehmen Lebensstil und Wohlstand sichert, basiert auf Mathematik, wenn auch die Mathematik für den Anwender meist unsichtbar ist.“ Man könnte den gewagten Vergleich ziehen, dass wir Luft brauchen zum Leben, dass wir uns dieser Tatsache aber nur bei seltenen Gelegenheiten wirklich bewusst sind.

Dass Mathematik überall drinsteckt wurde mir kürzlich beim Einkauf wieder klar, als die Kasse eine Schachtel Gebäck verweigerte und die Kassiererin den Code von Hand tippen musste. Es handelte sich – und hier zitiere ich die Schachtelaufschrift – um ein hauchdünnes Butterfeingebäck mit Mandeln, das vor allem aus Mehl, Zucker, Butter und Mandeln besteht. Und ein wenig Mathematik! Natürlich ist die Mathematik nicht im Gebäck, aber auf der Verpackung. Da steht nämlich der Code 761-480017000-4.

Dieser meist 13stellige Code heisst GTIN (Global Trade Item Number). Jeder Hersteller eines Produktes kann ihn gegen eine bestimmte Gebühr bei der Organisation GS1 (Global Standards One) bestellen und damit sein Produkt ausrüsten. Die Vorteile sind offensichtlich: Die Lagerhaltung kann automatisiert werden, Preisetiketten sind überflüssig, die Registrierung an der Kasse ist schneller, und die Sicherheit wird erhöht. Gerade beim letzten Vorteil hat die Mathematik ganz wesentlich die Hand im Spiel:

Während die drei ersten Ziffern das Land (zum Beispiel 760 – 769 für die Schweiz) und die nächsten neun Ziffern das Unternehmen und den Artikel identifizieren, handelt es sich bei der letzten Ziffer um eine Prüfziffer. Angenommen, die ersten zwölf Ziffern sind a, b, c, d, e, f, g, h, i, j, k und l, so wird die Prüfziffer so gewählt, dass

a+3·b+c+3·d+e+3·f+g+3·h+i+3·j+k+3·l

auf eine durch 10 teilbare Zahl ergänzt wird. Beim obigen Gebäck wird also die Zahl

7+3·6+1+3·4+8+3·0+0+3·1+7+3·0+0+3·0 = 56

bestimmt, und diese wird dann passend auf ein Vielfaches von 10 erhöht, indem die Prüfziffer 4 angehängt wird.

Dank dieser Prüfziffer kann ein Lesegerät die häufigsten vorkommenden Lesefehler sofort erkennen. Wird ein Code falsch gelesen, so handel es sich in 90% aller Fälle um eine einzelne falsche Ziffer oder um die Vertauschung zweier benachbarter Ziffern; und beide Fehler werden auf Grund der Prüfziffer entlarvt. Kleine mathematische Sicherheiten dieser Art stecken übrigens auch im ISBN-Büchercode und in Lesegeräten von CDs und DVDs.

Bei einem Produkt aus Deutschland lauten die ersten 12 Ziffern des GTIN so: 440-681005500. Können Sie herausfinden, wie die Prüfziffer heissen muss?

Lösung vom September 2010: 6562 – 3781 = 2781 oder 6762 – 4381 = 2381 oder andere Möglichkeiten