Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
17.03.2009: Ein Licht geht auf!

Wer einen tiefen, überraschenden Zusammenhang plötzlich versteht, dem geht ein Licht auf. Hier sollen einmal Lichter (genauer: Lampen) selber Gegenstand von Untersuchungen sein, und die Hoffnung ist, dass, indem ständig Lichter an- und ausgehen, uns ein Licht aufgeht; und das kann dann im genauen Sinne des Wortes eine erhellende Erfahrung sein.

Beginnen wir mit der ersten Lampengeschichte. Stellen Sie sich vor, auf einem sehr, sehr langen Tisch wären unzählige Lampen aufgereiht, alle identisch, alle durchnummeriert und völlig unabhängig voneinander. (Ersatzweise könnten Sie auch sämtliche Lichtschalter Ihrer Wohnung oder Ihres Hauses durchnummerieren.) Stellen wir uns weiter vor, dass anfangs alle Lampen dunkel sind. Nun schreiten Sie den Tisch ab und drücken der Reihe nach jeden Schalter, also die Schalter 1, 2, 3, 4, 5 . . . Danach schreiten Sie den Tisch erneut ab, drücken diesmal aber nur jeden zweiten Schalter, also die Schalter 2, 4, 6, 8, 10 . . . Dann schreiten Sie den Tisch wiederum ab und drücken diesmal jeden dritten Schalter, also die Schalter 3, 6, 9, 12, 15 . . . Sie fahren immer so fort, jeden vierten Schalter, dann jeden fünften, dann jeden sechsten usw. bis keine Lampe mehr besucht werden kann, weil zu wenige Lampen zur Verfügung stehen. Dann betrachten Sie stolz Ihr Werk. Welche Lampen werden am Ende brennen, welche dunkel sein?

Das ist eine wirklich interessante Frage, und wenn Sie gerne selber nachdenken möchten, bis Ihnen ein Licht aufgeht, dann sollten Sie hier nicht weiterlesen. Ein Licht wird uns wohl dann aufgehen, wenn wir uns einzelne Beispiele anschauen, um daraus dann eine allgemeine Überlegung abzuleiten; dies ist in der Mathematik eine wirklich häufige Vorgehensweise! In welchem Zustand wird die siebte Lampe am Ende sein? Nun, anfangs war sie dunkel, und ihr Schalter wurde genau zweimal betätigt, weil 7 ein Vielfaches von 1 und von 7 ist; folglich wird sie am Ende auch dunkel sein. In welchem Zustand wird die achte Lampe sein? Auch sie war anfangs dunkel, und weil 8 ein Vielfaches von 1, 2, 4 und 8 ist, wurde ihr Schalter genau viermal gedrückt; also wird sie am Ende auch dunkel sein. Gibt es zuletzt gar keine brennenden Lampen? Wie steht es mit Lampe Nummer 9? Auch sie war anfangs dunkel, und da 9 ein Vielfaches von 1, 3 und 9 ist, wurde ihr Schalter genau dreimal gedrückt; somit wird Lampe 9 am Ende brennen. Also doch, es gibt brennenden Lampen! Wenn wir uns dann weitere Beispiele vor Augen führen, wird uns plötzlich ein Licht aufgehen: Am Ende werden genau diejenigen Lampen brennen, deren Nummern Quadratzahlen sind, also die Lampen 1, 4, 9, 16, 25 usw. Weshalb ist das so? Ganz einfach: Wenn man zu einer Quadratzahl, etwa 36, alle Zerlegungen in zwei Teiler sucht, so findet man 1.36, 2.18, 3.12, 4.9 und 6.6. Ausser einer einzigen Zerlegung bestehen also alle Zerlegungen aus zwei verschiedenen Zahlen; folglich gibt es insgesamt eine ungerade Anzahl von Teilern. Und daher wird der Schalter einer «Quadratzahl- Lampe» insgesamt eine ungerade Anzahl oft gedrückt, und darum wird sie am Ende brennen.

Unsere zweite Lampengeschichte handelt von einer einzigen Lampe, die allerdings arg strapaziert wird. Sie drücken ihren Schalter nämlich immer wieder. Sie treffen die Lampe dunkel an und drücken sofort den Schalter. Dann warten Sie eine Minute und drücken den Schalter wieder. Danach drücken Sie den Schalter immer und immer wieder, und zwar nach einer halben Minute, dann nach einer Viertelminute, dann nach einer Achtelminute usw. In welchem Zustand wird die Lampe nach genau zwei Minuten sein? Das ist eine sehr exotische Fragestellung, die auf den Philosophen James F. Thomson zurückgeht. Das Verrückte ist, dass nach zwei Minuten der Schalter unendlich oft gedrückt worden sein wird, wir müssten also genau genommen hinter das Ende eines aus unendlich vielen Schritten bestehenden Prozesses blicken können. Unter gewissen Umständen kann das die Mathematik sogar, bei diesem Prozess geht es aber leider nicht. Wenn wir nämlich eine brennende Lampe durch 1 und eine dunkle durch 0 darstellen, so müssten wir sagen können, welche Zahl «am Ende» der unendlichen Folge 0, 1, 0, 1, 0, 1, 0, 1, 0, 1 . . . steht. Und eben das ist unmöglich. Im Übrigen wird die Lampe ohnehin sehr schnell defekt sein, weshalb Sie also von einer Durchführung dieses Experimentes zu Hause bitte absehen wollen.

Die dritte Lampengeschichte bietet Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser, die Möglichkeit, selber nachzudenken, bis Ihnen ein Licht aufgeht. Diesmal sind 20 Lampen aufgereiht, sie sind nun aber so verschaltet, dass, wenn irgendein Schalter gedrückt wird, alle restlichen Lampen ihren Zustand wechseln; einzig die Lampe, deren Schalter gedrückt wurde, ändert ihren Zustand nicht. Sie treffen alle Lampen hell an. Kann man es schaffen, durch geeignetes Drücken gewisser Schalter sämtliche Lampen auszuschalten?