Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
15.03.2017: Elvis lebt! Oder doch nicht?

Erstaunlicherweise halten sich Verschwörungstheorien oft hartnäckig in der Öffentlichkeit, auch wenn sie wissenschaftlich noch so gut widerlegt sind. So soll 1947 bei Roswell ein UFO abgestürzt sein. Und in der Area 51 sollen geheime Untersuchungen an ausserirdischen Lebensformen stattfinden. Elvis Presley soll 1977 gar nicht gestorben sein, sondern seither unter Ausschluss der Öffentlichkeit an einem geheimen Ort weiterleben. Und die Mondlandung aus dem Jahr 1969 soll nie stattgefunden haben, sondern in einem Filmstudio gedreht worden sein, um von Vietnam abzulenken und die vermeintliche technische Überlegenheit der Amerikaner zu demonstrieren.

Wie glaubhaft sind solche Theorien? Kürzlich hat sich der Physiker D. R. Grimes dieses Themas auf ebenso mathematische wie spannende Weise angenommen. Er schlägt eine Formel vor, mit der berechnet werden kann, wie lange eine Gruppe von Menschen ein Geheimnis bewahren kann, bevor es auffliegt. Nehmen wir einmal an, die Mondlandung 1969 wäre tatsächlich ein einziger grosser Schwindel gewesen. Dann muss es damals eine Gruppe von Menschen gegeben haben, die eingeweiht waren und die alles daran setzten, dass nichts an die Öffentlichkeit drang. Und es muss eine ziemlich grosse Gruppe gewesen sein: die ganze Filmcrew samt Regisseur, Beleuchtern, Schauspielern, Bühnenbildnern, dann natürlich die Studioverantwortlichen, die Hersteller der falschen Raumkapsel, Medienleute und viele mehr. In der Spitzenzeit sollen 400‘000 Menschen am NASA-Mondlandeprogramm gearbeitet haben. Eine einzige undichte Stelle hätte den Schwindel auffliegen lassen. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass so viele Menschen über Jahrzehnte hinweg dicht halten konnten?

Damit sind wir mitten in der Mathematik. Man kann es mit dem radioaktiven Zerfall vergleichen: Von einem bestimmten Atom können wir nie sagen, ob es in der nächsten Zeiteinheit zerfallen wird oder nicht, wir können nur seine Zerfallswahrscheinlichkeit angeben. Genauso wenig können wir sagen, ob ein bestimmter Mensch dieser konspirativen Gruppe in der nächsten Zeiteinheit „undicht“ sein wird, aber wir können ihm eine „Undichtheits-Wahrscheinlichkeit“ p zuordnen, mit der er das Geheimnis in der nächsten Zeiteinheit preisgeben wird. Klar, diese Zahl muss sehr klein gewesen bei der Mondlande-Gruppe, vielleicht in der Grössenordnung p=4*10-6 pro Jahr, einem Schätzwert, den man häufig im Zusammenhang mit der NSA hört. Dass aber alle N Personen der Gruppe während eines Jahres dicht gehalten haben, dafür beträgt die Wahrscheinlichkeit (1 - p)N, und dies ergibt für N=400‘000 und eine NSA-artige Verschwiegenheit gerade mal 20%. Pro Jahr! Dass die ganze Gruppe 10 Jahre lang dicht gehalten hat, dafür ist die Wahrscheinlichkeit praktisch Null. Da in den fast 50 Jahren seit 1969 kein einziger stichhaltiger Beweis für einen Betrug aufgetaucht ist, können wir mir mit fast absoluter Sicherheit sagen: Die Mondlandung 1969 hat stattgefunden.

Nebenbei: Eine Gruppe mit N=1000 und NSA-artiger Verschwiegenheit hütet ein Geheimnis. Wie lang ist eine Zeitspanne, damit man sagen kann: In dieser Zeitspanne fliegt es mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% nicht auf?

Armin P. Barth ist Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Baden und Autor. Die Lösung erscheint am nächsten Dienstag auf der Seite Leben&Wissen.