Café Mathe - eine Kolumne in der Aargauer Zeitung
03.12.2016: Verrückte Weihnachten
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Das Weihnachtsfest war meines Wissens noch nie Untersuchungsgegenstand seriöser mathematischer Forschung. Es gibt keine mathematische Weihnachtstheorie und auch keinen Satz des Nikolaus, nur ein Haus des Nikolaus, aber es gibt keinen stringenten Beweis dafür, dass Nikolaus wirklich dort wohnt und Geschenke verpackt. Keine Universität dieser Welt führt einen Lehrstuhl für weihnächtliche Mathematik, und es hat auch noch nie ein mathematisches Symposium zu der Frage stattgefunden, ob Rentiere fliegen können oder nicht, denn diese Frage ist eher der Zoologie zuzurechnen. Dort aber ist die Antwort klar: Alle heute bekannten Rentierarten können nicht fliegen. Das Problem aber ist, dass nach heutigen Schätzungen erst etwa 90% aller Vertebraten (Wirbeltiere) taxonomisch erfasst sind; es könnte also durchaus noch nicht taxonomisch beschriebe Rentierarten geben, die fliegen können, auch wenn das sehr sehr unwahrscheinlich ist, da solche irgendwann irgendwem aufgefallen sein müssten.

Ein mir nicht bekannter Autor hat mit wissenschaftlichen Methoden (wenn auch nicht mit mathematischer Strenge) versucht nachzuweisen, dass, falls der Weihnachtsmann irgendeinmal Geschenke gebracht haben sollte, er heute tot sein müsste. Seine Berechnungen zeigen nämlich, dass der Weihnachtsmann bei seinem ersten Job pro Kind bloss eine Tausendstelsekunde Zeit hatte und dass sein Schlitten mit 3000facher Schallgeschwindigkeit flog, ein Gewicht von etwa 400‘000 Tonnen aufwies und von über 200‘000 Rentieren gezogen werden musste, die – nota bene – über tausend Kilometer pro Sekunde zurücklegen mussten. Bei dem gewaltigen Luftwiderstand dieser riesigen Rentierflotte mussten die Tiere so stark aufgeheizt worden sein, dass sie alle augenblicklich in Flammen aufgingen und vaporisiert wurden. Und ganz ohne Rentiere und allein in der Luft oben waren die Überlebenschancen des Weihnachtsmannes äusserst gering.

Da solcherlei Argumente natürlich nicht das Siegel mathematischer Strenge verdienen, wollen wir nun einen ganz seriösen mathematisch-weihnächtlichen Beitrag leisten: Rufus Theophilius Nadelbaum ist der wohl bedeutendste Händler von Christbäumen weltweit. Das sieht man schon daran, dass auf seiner Plantage unendlich viele Tannen heranwachsen, eine Anzahl, die von anderen Händlern kaum zu toppen ist. Die Abbildung zeigt einen endlichen Ausschnitt der Plantage. In Reih und Glied stehen die Bäume, alle gleich gross und alle im Abstand 1 von den Nachbarbäumen. Im Punkt 0 sitzt Rufus Theophilius Nadelbaum und überblickt zufrieden seine Tannen. Da fällt ihm plötzlich auf, dass er von dieser Stelle aus gar nicht alle seine Bäume sehen kann. Was, wenn plötzlich ein Feind irgendwo in der Plantage Gift streut, Äste knickt oder Wurzeln zieht? Können Sie, geneigte Leserinnen und Leser helfen? Welche Tannen kann Herr Nadelbaum vom Punkt 0 aus überhaupt sehen, welche nicht?

Armin P. Barth ist Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Baden und Autor. Die Lösung erscheint am nächsten Dienstag auf der Seite Leben&Wissen.